Der Fahrgastverband PRO BAHN begrüßt die Absicht der Landesregierung, den Einfluss der Aufgabenträger auf den Schienenverkehr durch Zusammenlegung zu stärken. Zugleich fordert PRO BAHN, mit der Neugestaltung Interessen der Nutzer und der Landesentwicklung besser einzubeziehen, um das Schienennetz in NRW zukunftsfähig zu machen. Dafür hat PRO BAHN Empfehlungen erarbeitet und der Landesregierung übermittelt.
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen plant eine Neuorganisation des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV). Bisher sind drei Aufgabenträger (go.Rheinland, VRR und NWL) dafür zuständig, diese sollen zu einem Aufgabenträger zusammengeführt werden, um die Marktmacht des Landes als größtem Besteller von Schienenverkehrsleistungen im Personennah- und Regionalverkehr in Deutschland zu stärken.
Der Fahrgastverband PRO BAHN bezieht hierzu Stellung. Das Bedürfnis, die Stellung des Aufgabenträgers in NRW sowohl gegenüber dem Eigentümer des Schienennetzes (mit ganz wenigen Ausnahmen DB InfraGo) als auch gegenüber den Verkehrsunternehmen zu stärken, wird anerkannt.
Zugleich soll die Reform aber dem Interesse der Nutzer des Schienennetzes, insbesondere der Fahrgäste, und den weiteren Interessen der Landesentwicklung dienen.
Daraus ergeben sich die Empfehlungen:
Die rechtliche Organisationsstruktur eines neuen Aufgabenträgers muss diesen Zielen dienen.
• Landesentwicklung und Kompetenz Schiene
Der neue Aufgabenträger sollte den öffentlichen Verkehr als wichtigen Faktor der Landes- und Strukturentwicklung aktiv gestalten und dabei den Schienenverkehr insgesamt (Nah-, Fern- und Güterverkehr) entwickeln.
Hintergrund:
Das Angebot und die Ausgestaltung des öffentlichen Verkehrs sind wichtige Faktoren für NRW als Standort von Unternehmen, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen. Dem muss die Beschreibung der Aufgaben Rechnung tragen und als Aufgabe des Aufgabenträgers nennen, dass eine aktive Entwicklung des Landes zu fördern ist. Da der Aufgabenträger die einzige große Organisation im Land mit Fachkunde im Schienenverkehr ist, muss diese Kompetenz für die gesamte Landesentwicklung genutzt werden. Es kann nicht, wie der Gesetzestext jetzt lautet, dabei bleiben, dass lediglich auf einen bereits vorhandenen Bedarf reagiert wird.
• Regionale Verankerung
Um zukunftsfähige Entwicklungen voranzutreiben, ist eine lösungsorientierte Zusammenarbeit des neuen Aufgabenträgers mit Kommunen erforderlich, für die eine Ebene regional verorteter, fachkundiger beratender Gremien zu schaffen ist.
Hintergrund:
Bei allen Nachteilen hat die frühe Phase der Regionalisierung mit 9 viel kleineren Aufgabenträgern gezeigt, dass lokales Engagement und richtige Einschätzung örtlicher Gegebenheiten für die erfolgreiche Gestaltung des Schienennetzes unverzichtbar sind. Dieser Vorteil muss erhalten bleiben. Es darf nicht so bleiben, wie es heute fallweise geschieht, dass fertige Gutachten ohne fachliche Unterstützung aus der Region erstellt werden und Entscheidungen über die Köpfe der Regionen hinweg verkündet werden.
• Mitwirkung der Fahrgastverbände und anderer Nutzerinteressen in allen Gremien.
Hintergrund:
Bei Fahrgastverbänden, aber auch anderen wichtigen Institutionen wie Industrie- und Handelskammern ein großes Potenzial an Fachkunde besteht, ist es unerlässlich, diese Kompetenzen früh und wirksam einzubinden. Es darf nicht dabei bleiben, dass eine Beteiligung von dem guten Willen einzelner Personen im Aufgabenträger abhängt.
• Transparenz
durch Öffentlichkeit aller Sitzungen, Vorlagen und Dokumente (ausgenommen Wettbewerb und Personelles).
Hintergrund:
Diese Öffentlichkeit besteht bisher und ist ein wichtiger Faktor, um Kompetenz zu vermitteln und Engagement zu fördern. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass hinter verschlossenen Türen und ohne ausreichende sachliche Gründe Entscheidungen getroffen werden.
• Eigene Verkehrsunternehmen
Um den Wettbewerb der Verkehrsunternehmen kompetent zu nutzen und Krisen zu bewältigen, sind Verkehrsunternehmen in der Hand des Aufgabenträgers erforderlich.
Hintergrund:
Vorteile des Wettbewerbs werden mit enormem bürokratischen Aufwand erkauft und sind mit dem Risiko verbunden, dass Unternehmen, wenn sie keinen Gewinn machen, in die Insolvenz gesteuert werden und Fachkräfte der Branche verloren gehen. Die Folge: Auch bei Vergabe im Wettbewerb trägt der Steuerzahler erhebliche Risiken. Mit den Krisen von Abellio und Eurobahn haben sich solche Risiken bereits realisiert.
Eigene Verkehrsunternehmen ermöglichen Einblicke in Interna und eignen sich für Inhouse-Vergaben ohne Ausschreibung. Eigene Unternehmen mindern daher Risiken. Die Unternehmen Regiobahn und Eurobahn in der Hand der jetzigen Aufgabenträger sind eine Chance, die klug genutzt und im ÖPNV-Gesetz abgesichert werden sollte.
• Digitalisierung, Tarif und Vertrieb
Der Aufgabenträger muss eine treibende Rolle bei der Digitalisierung, insbesondere bei der Fahrgastinformation, und bei der Gestaltung von Tarif und Vertrieb übernehmen.
Hintergrund:
Fahrgastinformation, Tarif und Vertrieb unterliegen Gesetzen des Bundes und der EU, die nicht mehr zeitgemäß sind und daher unzulänglich gestaltet sind. Diese Gesetze gehen immer noch vom Vorrang von eigenwirtschaftlicher Angebote aus und nehmen nicht zur Kenntnis, dass der öffentliche Verkehr weitgehend aus Steuermitteln finanziert wird. Der Aufgabenträger benötigt die rechtliche Kompetenz, um das fachliche Wissen und Können unter diesen schwierigen Bedingungen umzusetzen.
Die rechtliche Organisationsstruktur eines neuen Aufgabenträgers muss diesen Zielen dienen. Da dies mit mehreren Organisationsstrukturen möglich ist, nennt PRO BAHN hierzu keine Empfehlung.
Das vollständige Positionspapier finden Sie hier.
Weiterlesen … Zukunftsgerechte Zusammenlegung der SPNV-Aufgabenträger in NRW