Initiative Deutschlandtakt: Widuland-Studie zerstört Deutschlandtakt

von Rainer Engel | Fahrzeit bis zu einer Stunde länger als Deutschlandtakt

Durchs Wesergebirge nach Hannover

Verheerende fachliche Mängel in der Widuland-Studie zur Bahn-Neubaustrecke sind in eine vertiefte Prüfung durch die Initiative Deutschlandtakt festgestellt worden: Mit Tricks und Täuschungen werden die wahren Folgen bei Fahrzeiten und Kosten unter den Tisch gekehrt. Ein solches Vorgehen  erschwert eine sachliche Diskussion über Alternativen zur derzeitigen Neubauplanung deutlich. Aus Sicht der Initiative Deutschlandtakt haben die Autoren ihre Aufgabe weit unterschätzt.

Die vorgenannte Studie wurde am 20. Januar 2022 von der Bürgerinitiative Widuland, Vlotho, veröffentlicht. Nach dieser Studie soll nur der Streckenabschnitt Minden - Hannover für 250 km/h ausgebaut werden. Die Fahrzeit Hamm - Hannover soll 69 Minuten betragen. Die Studie meint, das sei mit dem Deutschlandtakt vereinbar.

„Die fachlichen Mängel sind so umfangreich, dass sie jeden Pressebericht sprengen“, erklärt Rainer Engel, der schon seit Jahren für die Initiative Deutschlandtakt arbeitet und Neubauprojekte begleitet. „Wir sind erschüttert darüber, wie wenig Mühe sich die Autoren gemacht haben. Dass die Fahrzeit Köln – Berlin nach Widuland 22 Minuten länger sein soll als nach dem Deutschlandtakt, ist noch der kleinste Mangel. Die Fahrzeit von Münster nach Magdeburg ist nach der Widuland-Studie eine halbe Stunde länger und damit genauso lang wie heute, weil die Anschlüsse nicht passen. Die Fahrt Düsseldorf – Detmold, die der Zielfahrplan NRW mit nur genau zwei Stunden vorsieht, ist nach Widuland länger als heute, weil ein Anschluss in Bielefeld nicht passt. Der für diese schnelle Verbindung geplante Ausbau des Abschnitts Bielefeld - Lage (Lippe) kann auch nicht passend gemacht werden, ohne Wohngebäude abzureißen. Und während der Deutschlandtakt die Fahrzeit Bielefeld – Hamburg auf eineinhalb Stunden verkürzen kann, träumt die Studie vom alten D-Zug über Nienburg und Verden mit zweieinhalb Stunden Fahrzeit. Die Widuland-Studie ersetzt dafür die schnellste Verbindung Ruhrgebiet - Hamburg durch einen Interregio, für den es keine wirtschaftliche Grundlage gibt. Die Vereinbarkeit der Widuland-Pläne mit einer S-Bahn Ostwestfalen-Lippe wurde nicht geprüft, obwohl diese Pläne seit Juni 2021 öffentlich bekannt sind.“

Die Grafik zeigt den Vergleich der Fahrzeiten für den Fahrplan 2022, den Fahrplan gemäß Zielfahrplan Deutschlandtakt und gemäß Studie Widuland. Eine detaillierte Erläuterung finden Sie hier.

Aus Sicht der Initiative Deutschlandtakt ist die Studie darauf angelegt, die Öffentlichkeit zu täuschen. „Die Studie berechnet Fahrpläne neu, hört aber auf, jenseits von Wolfsburg und Dortmund zu denken, um Problemen aus dem Weg zu gehen. So kann der Intercity Dresden – Köln nach dem Widuland-Fahrplan ab Dortmund nicht weiterfahren, weil alle Strecken schon mit anderen Zügen belegt sind, die genau in das Taktgefüge an Ruhr und Wupper eingepasst sind. Um den Anschluss von Bielefeld nach Leipzig zu retten, den der ICE nicht mehr erreichen kann, fantasiert die Studie von einem  Trans-Europ-Express Paris – Warschau, von dem niemand weiß, ob und wie oft er fahren wird. Dass ein solcher Zug in den Deutschlandtakt eingetragen ist, ist auf eine Fahrplanstudie zurückzuführen. Und während der Deutschlandtakt mit den Plänen der Niederlande minutengenau abgestimmt ist, schreibt die Widuland-Studie alte Fahrpläne ab, die schon bald nicht mehr gelten. Damit sind Aussagen des Widuland-Konzepts zum Deutschlandtakt Makulatur."

Das gleiche unseriöse Vorgehen sieht die Initiative Deutschlandtakt bei den Kostenrechnungen. „Wir finden in der Widuland-Trasse Steigungen aus Tunneln, die kein Güterzug hochkommt. Entsprechend ist die Widuland-Trasse mit einem Kostensatz kalkuliert, der einem Dumpingpreis entspricht. Die Kosten der teuren Umbauten von Bahnhöfen unter rollendem Rad sind nicht berücksichtigt. Und um ihre Kostenrechnung zu schönen,  will die Studie ein drittes Gleis zwischen Hamm und Dortmund streichen. Dabei sind sich alle Fachleute und Verkehrsverbünde einig, dass dieses Gleis notwendig ist und völlig unabhängig von der Neubaustrecke gebaut werden muss, um den Nahverkehr nicht zu ersticken.“

Hinter den Mängeln  der Studie stehen nach Beobachtung der Initiative Deutschlandtakt politische Einflüsse aus Kreisen, die mit realitätsfernen und unausgereiften Plänen Politik machen. Die Studie befasst sich mit Themen, die nichts mit der Neubaustrecke Hannover – Bielefeld zu tun haben, wie mit der Neubaustrecke Hannover – Hamburg, dem Fernbahntunnel Frankfurt und dem Busverkehr nach Vlotho. „Dabei wurde ungeprüft aus fremden Quellen abgeschrieben. „Diese Quellen kennen wir genau und können deren fachliche Qualität beurteilen“, berichtet Engel.

„Die Initiative Deutschlandtakt sieht den Zielfahrplan des Deutschlandtakts durchaus kritisch und plädiert dafür, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um mit möglichst wenig Neubaustrecke auszukommen“, erklärt Engel. „Aber wir wissen, wie schwierig es ist, ein komplexes Gutachten anzugreifen, an dem die besten Experten aus der Schweiz drei Jahre gearbeitet haben. Einen schlechten Fahrplan, der dem Widuland-Fahrplan gleicht, haben wir schon im Jahr 2017 gesehen: Es war der Fahrplan, der auf dem unseligen Tunnel durch den Jakobsberg bei Porta beruhte. Erst als sich herausstellte, dass mit 250 km/h überhaupt kein gescheiter Taktfahrplan zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet zustande zu bringen ist, kamen 300 km/h ins Spiel – erst dann passten fast alle Anschlüsse von Münster bis Cottbus und Dresden. Die Widuland-Studie hat einfach ein Stückchen aus dem komplizierten Netz herausgebrochen. Dann hält das ganze Netz nicht mehr.“

„Eine Trasse, die der von Widuland ähnelt, ist durchaus vorstellbar“, erklärt Engel. „Aber um den Deutschlandtakt nicht auseinanderbrechen zu lassen, müssen entweder 40 Kilometer zwischen Braunschweig und Helmstedt neu gebaut werden, oder von Hamm bis Bielefeld und von Minden bis Berlin muss Tempo 300 durchgehend möglich sein. Das sind rechnerische Wahrheiten, die schlechte Studien nicht außer Kraft setzen können.“

Die Initiative Deutschlandtakt hält es aber für notwendig, den Planungsauftrag der Deutschen Bahn zu erweitern, um auch diese Fragen zu prüfen. „31 Minuten" sind kein Selbstzweck und kein Dogma. „Die Prüfung muss möglich sein, damit sind wir mit Widuland einig.“ so Engel.

Link zur ausführlichen Bewertung der Studie

Weitere Informationen zur Initiative Deutschlandtakt

Weitere Informationen zur Neubaustrecke Bielefeld - Hannover

 


Kommentare

Kommentar von Fred Schelp |

Sehr geehrte Initatorinnen,
Ich wuerde als Umweltpaedagoge und Bahnfahrer gerne Ihre Initiative unterstützen. Ich bringe den Vorschlag ein, auf der A2 auf der rechten Fahrspur ein Gleis ein Gleis zu verlegen und hierüber den Gueterverkehr abzuwickeln.


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