Initiative Deutschlandtakt fordert fachkundige Institution der Bundesregierung auch in Bürgerforen

von Rainer Engel | Bahn-Neubauprojekte für den Deutschlandtakt Bundesregierung muss besser informieren und Planung begleiten

Neubaustrecke Bielefeld - Hannover

Die Bundesregierung muss die Öffentlichkeit über große Bahnprojekte besser informieren und die Planung aktiv begleiten. Dies fordert die Initiative Deutschlandtakt, ein Zusammenschluss der Bahn-Fachleute, die seit 2008 für den Deutschlandtakt als Bahnausbau mit vorher festgelegtem Zielfahrplan werben, in einem offenen Brief an die für Verkehr zuständige Staatssekretärin Susanne Henckel und an ihren Kollegen Michael Theurer. Konkrete Forderung: Eine fachkundige Institution des Bundesverkehrsministeriums muss auch in der Bürgerbeteiligung vertreten sein und die bundesweiten Interessen in Bürgerforen wahrnehmen. Es ist nicht zielführend, diese Aufgabe der Deutschen Bahn zu überlassen.

„Der Auszug vieler Teilnehmer aus dem Bürgerdialog zur Neubaustrecke Hannover – Bielefeld am 31. Januar 2023 hat deutlich gemacht, dass die bisherige Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung völlig unzulänglich war“, erklärt Rainer Engel, der die regionalen Interessen der Initiative Deutschlandtakt vertritt und zum  PRO BAHN-Landesvorstand NRW gehröt. „In der Region zwischen Hannover und Bielefeld ist nur angekommen, dass es um Hochgeschwindigkeit und um eine für Geschäftsreisende relevante Fahrzeitverkürzung gehe. Einige Bundestagsabgeordnete der FDP, SPD und CDU aus der Region, die jetzt in Berlin gegen den Zielfahrplan des Deutschlandtakts argumentieren, sind nicht bereit, das übergeordnete Gemeinwohl zu akzeptieren und handeln somit gegen bundesweite Interessen, oft sogar gegen Interessen der Wahlkreise in der Nachbarschaft. Dem muss die Bundesregierung entgegentreten. Für eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit genügt es nicht, auf einen Zielfahrplan zu verweisen.“

Die Initiative Deutschlandtakt fordert daher die Beteiligung einer Institution an der Planung, die den Deutschlandtakt fachkundig erklären und Gegenvorschläge auf ihre Wirkung prüfen kann. „Verbesserungen des Zielfahrplans müssen möglich sein und dürfen nicht durch eine Zielfahrzeit blockiert werden“, erläutert Engel. „Wenn beispielsweise der Schutz der Heilquellen von Bad Salzuflen und Bad Oeynhausen in ernste Gefahr gerät, dann muss der Zielfahrplan im Detail nachgebessert werden können.“

In den Regionen, auch in Ostwestfalen-Lippe, fühlen sich auch Befürworter der Neubaustrecke mit Vorschlägen zur Verbesserung nicht ernst genommen. Bisher sind den Planern der Deutschen Bahn die Hände gebunden, sie dürfen auf Verbesserungsvorschläge nicht eingehen, sobald der Zielfahrplan betroffen sein könnte, und es fehlt ein Verhandlungspartner mit Vollmacht und Gestaltungsmöglichkeit.

Mit einer solchen Weiterentwicklung des Zielfahrplans, die sich auf das konkret in der Planung befindliche Projekt bezieht, kann nicht gewartet werden, bis eine Fortschreibung des Zielfahrplans durch einen Gutachter abgeschlossen ist. Dies würde einerseits die Akzeptanz des Projekts in der Region sehr gefährden, andererseits aber für die Erarbeitung einer Vorzugstrasse zu spät kommen.

Den Ausbau der Bestandsstrecke, wie er in der Region gefordert wird, sieht die Initiative Deutschlandtakt jedoch nicht als sinnvolle Alternative. „Der Deutschlandtakt ordnet Güterverkehr, Fernverkehr und Regionalverkehr neu und hat vielfältige Wechselwirkungen bereits berücksichtigt. Beispielsweise wird der Ausbau der Bestandsstrecke dazu führen, dass Güterzüge von anderen Strecken auf andere Routen abgedrängt werden und dort den erforderlichen Regionalverkehr behindern oder unmöglich machen. Das droht auch für Ostwestfalen-Lippe. Zudem bedeutet ein weitgreifender Ausbau der Bestandsstrecke massive Bauarbeiten und große Einschränkungen im Bahnverkehr über viele Jahre.

„Komplexe Zusammenhänge muss die Bundesregierung erklären. Dafür braucht sie eine Fachbehörde, die die Zusammenhänge versteht und prüft“, so Engel. „Die Institution muss so fachkundig sein, dass sie vorgelegte Studien hinterfragen und im Zweifelsfall korrigieren kann. Die überregionalen Interessen am Projekt müssen im laufenden Planungsprozess deutlich gemacht werden und nicht erst, wenn eine Trasse fertig ist, deren Gründe in der Region nicht verstanden werden.“

Die Initiative Deutschlandtakt setzt sich seit 2008 für die Planung von Neubauten der Bahn aufgrund eines Zielfahrplans ein und informiert seit 2018 aktiv über Hintergründe und Zusammenhänge der Neubaustrecke Bielefeld – Hannover.

Links:
Pressemitteilung und Offener Brief
Website Initiative Deutschlandtakt
Website zur Neubaustrecke Bielefeld – Hannover
Website zur Neubaustrecke Hamburg – Hannover

Hintergrund:
Von Gegnern der Neubaustrecke Hannover – Bielefeld wird der Ausbau der Bestandsstrecke Minden – Hannover auf 4 Gleise gefordert. Dies erfordert eine um 11 Minuten längere Fahrzeit für den Abschnitt Hannover – Bielefeld, als im Zielfahrplan vorgesehen.
Nachdem die Prüfung dieser Variante zunächst zugesagt wurde, wurde Ende Januar 2023 bekannt, dass diese Prüfung nicht mehr weitergeführt werde, weil der Ausbau der Bestandsstrecke nicht die Fahrzeitvorgabe von genau 31 Minuten erfülle. Dies nahmen Bürgerinitiativen, Verbände, Politiker und kommunale Amtsträger zum Anlass, das Plenum der Frühen Öffentlichkeitsbeteiligung unter Protest und mit Ultimaten zu verlassen. Im Verlauf des Plenums wurde den Anwesenden, die geblieben waren, klar, dass der DB die Fahrzeit als Weisung der Bundesregierung vorgegeben sei.
Die Begründung für die Zielfahrzeit durch die Bundesregierung beschränkt sich bisher auf die Daten im Zielfahrplan für Hochgeschwindigkeitszüge. Aus lokalen Presseberichten vom 9. Und 10. Februar 2023 geht hervor, dass Bundesverkehrsminister Wissing geäußert habe, dass er in der Vorgabe der Fahrzeit keine Vorfestlegung sehe und erst nach Erstellung der Trasse das Eisenbahnbundesamt diese prüfen werde.
Im Bürgerforum ist weder die Bundesregierung vertreten noch Teilnehmer außerhalb des unmittelbaren Bereichs des Bauprojekts, die übergreifende Interessen am Deutschlandtakt geltend machen könnten.
Forderungen der Initiative Deutschlandtakt nach einer weiteren Verkürzung der Fahrzeit Berlin – Amsterdam um eine weitere Viertelstunde, die mit geringen Investitionen möglich wäre, können wegen auf die Minute genauer Vorgabe der Fahrzeiten nicht berücksichtigt werden. Weitere Kritik am Zielfahrplan betrifft den im Zielfahrplan vorgesehene Express NRW – Hamburg: Dieser soll ohne Halt nicht durch Bielefeld fahren. Ein Halt würde für 1,5 Millionen Einwohner in Ostwestfalen-Lippe die Fahrt nach Hamburg von heute drei Stunden auf 90 Minuten verkürzen. Ansprechpartner für solche Vorschläge gibt es nicht.

 


Kommentare

Kommentar von Ingo Pöpping |

Moin, das Argument mit der Verdrängung des Güterverkehrs, ist DB Hausgemacht. Es würde sich nicht ergeben, hätte man nicht den 2.gleisigen Ausbau Hameln Löhne aufgegeben. Eine Strecke die übrigens zu grossen Teilen bereits 2-gleisig war, und bereits in den späten 70er frühen 80er Jahren mal elektrifiziert werden sollte. Aber die DB in Ihrer Weisheit hat lieber das 2. Gleis demontiert, nachdem die DB dort selbst nicht mehr tätig ist. Gruß Ingo


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