Nahverkehrsplan Solingen: Deutliche Verbesserungen aber keine sichere Finanzierung

von Axel Sindram | Angebotsausweitungen bringen allein keine zusätzlichen Fahrgäste

Engpass Konrad-Adenauer Straße: Hier verkehren alle Linien keine Busspuren aber Parkplätze
Engpass Konrad-Adenauer Straße: Hier verkehren alle Linien, keine Busspuren aber Parkplätze

Die Maßnahmen auf der Angebotsseite sind engagiert und vorbildlich: Sie sehen auf den Linien 681 und 682 ein „Premium-Netz“ mit 24-Stunden-Betrieb und einem 5-Min.-Takt in der Zeit von 06.00 -21.00 Uhr vor. Zugleich sollen Doppelgelenkbusse für ein höheres Platzangebot und mehr Komfort sorgen. Die 682 soll das Klinikum ansteuern, dafür der Takt der Linie 683 auf der Schlagbaumer Straße verdichtet werden. Auch für Linien 683 und 684 ist ein 5- Min.- Takt vorgesehen, wobei die Linienäste teilweise getauscht werden. Die 683 soll künftig im Wechsel entweder an der Krahenhöhe enden oder nach Höhscheid fahren. Die Strecke nach Burg würde die von der Hasselstraße kommende Linie 684 übernehmen. Eine „Südtangente“ soll im 10-Min.-Takt die Stadtteile Ohligs-Aufderhöhe-Krahenhöhe verbinden. Hier wären allerdings die Streckenanteile unter Fahrdraht zu kurz um Batterie-Obusse einsetzen zu können.

Auch die Stadtteile Gräfrath und Wald sollen eine Direktverbindung erhalten, wobei ein Ringverkehr über Central oder Haan angedacht ist.

Ohligs: Im Zuge der Umgestaltung des Ohligser Ortskerns soll ein neuer City-Ring für die Linien 693 und 783 gebildet werden. Stadtauswärts würden die Busse über Talstraße und Weststraße zur Düsseldorfer Straße fahren, stadteinwärts über Heiligenstock und Parkstraße zum Hauptbahnhof.

Kosten: Allein die bis 2026 empfohlenen Umstellungen (Südtangente, neue Linie 693 und Ringverkehr in Ohligs) verursachen betriebliche Mehrkosten 6,7 Millionen Euro pro Jahr, das „Premiumnetz“ 7,2 Millionen, insgesamt 23,7 Mio.€. Hinzu kämen die Investitionen für zusätzliche Busse und Ausbau der Haltestellen.


Kommentar:

Die Solinger Planungen gehen auf der Angebotsseite in die richtige Richtung: Die Entwicklung der Ringlinien 681 und 682 auf der nachfragestärksten Relation zu einer 24-Stunden-Bedienung und 5-Min.-Takt kann in deren Einzugsbereich sicher weitere Fahrgastpotentiale erschließen. Das gleiche gilt für neue Direktverbindungen zwischen Stadtteilen, die bisher nur über einen Umweg über die Innenstadt miteinander verbunden waren, und damit gegenüber dem IV erhebliche Reisezeitnachteile aufwiesen.

Allerdings dürfte den Verantwortlichen klar sein, dass die für eine Steigerung des Modal-Split- Anteils notwendigen Fahrgastzuwächse nicht allein durch Ausweitung des Angebotes erreicht werden können. Die verschämt angedeuteten „Eingriffe in den Individualverkehr“ sind bei einer derartigen Belegung der Innenstadtstraßen mit Busverkehren unvermeidlich. Die Reisezeit ist ein entscheidendes Kriterium bei der Verkehrsmittelwahl, die dichtgetakteten Obus-Linien müssen daher staufrei verkehren. Dies gilt vor allem bei einem Einsatz von Doppelgelenkbussen, die in einer Solinger BOB-Ausführung preislich leicht an die Millionengrenze stoßen können. Es wäre eine äußerste Verschwendung von Ressourcen, diese nur „im Verkehr mitschwimmen“ zu lassen. Auf Linienwegen des 5-Min.-Taktes sind daher soweit wie möglich Busspuren – insbesondere zwischen Rathausplatz und Graf-Wilhelm-Platz - einzurichten oder die Verkehrsmenge des IV ist durch Zufluss-Begrenzungen zu reduzieren. Hinzu käme eine  wirklich „scharf“ geschaltete Signalanforderung und die Beseitigung noch vorhandener Busbuchten.

Bei der Frage der Finanzierung der Mehraufwendungen herrscht aber offenbar Ratlosigkeit. Der Ruf nach Hilfe von Land und Bund ist angesichts der dort formulierten erhöhten Anforderungen an den ÖPNV zwar teilweise verständlich, entbindet die Stadt jedoch nicht davon, zunächst einmal die Schulaufgaben „vor ihrer Haustür“ zu erledigen:

Neben den genannten Beschleunigungsmaßnahmen sind für eine Änderung des Verkehrsmittelwahlverhaltens auch zusätzliche „Push“-Maßnahmen, z.B. Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung usw…  unverzichtbar, um auch auf der Einnahmenseite mehr Spielraum für ein erweitertes ÖPNV-Angebot zu haben. Die bisherigen Erfahrungen aus anderen Städten in Deutschland zeigen jedoch, dass die Politik an dieser Stelle regelmäßig der Mut verlässt, und ein engagierter Nahverkehrsplan sodann als „schön, aber nicht finanzierbar“ in der Schublade verschwindet, ein Ergebnis, dass angesichts der klimapolitischen Herausforderungen nicht mehr akzeptiert werden kann.

 


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