NRW-Grundsatzprogramm

2. Organisation des ÖPNV

2.1. Rolle der Aufgabenträger

Der ÖPNV in Nordrhein-Westfalen wird von sog. Aufgabenträgern organisiert. Während im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) das Land seine diesbezügliche Kompetenz in der Regel auf die Verkehrsverbünde bzw. auf entsprechende Zweckverbände übertragen hat, wird der Busverkehr von den Kreisen und Städten verantwortet.

Im Busverkehr und im kommunalen Schienenverkehr wird das Verkehrsangebot jedoch faktisch durch die einzelnen Verkehrsunternehmen bestimmt. Besonders dort, wo der Linienverkehr eigenwirtschaftlich durchgeführt wird, orientiert sich das Fahrangebot oftmals nicht an den Belangen der Fahrgäste im Jedermannverkehr, sondern an Fahrzeugumläufen, den Stundenplänen der Schulen oder den Dienstplänen des Fahrpersonals. Dieser Entwicklung muss Einhalt geboten werden.

PRO BAHN hält es daher für unbedingt erforderlich, dass die Aufgabenträger in Ihren Nahverkehrsplänen ein fahrgastorientiertes Angebot festlegen und geeignete Mittel und Wege nutzen dieses umzusetzen. Die Aufgabenträger sollten einen Rahmen für das Angebot z. B. hinsichtlich Fahrplan, Netz und Angebot vorgeben.

2.2. Rolle der Verkehrsunternehmen

Verkehrsunternehmen erbringen maßgeblich die Leistung für die Fahrgäste und sind somit der zentrale Bestandteil des Öffentlichen Verkehrs.

Daher fordert PRO BAHN die Förderung und Erhaltung leistungsfähiger Verkehrsunternehmen. Das Ziel öffentlich geförderten Nahverkehrs kann nicht die Gewinnerzielung Privater sein sondern muss in der Re-Investition der Gewinne in eine weitere Verbesserung des Nahverkehrs liegen. Der Nahverkehr muss bezahlbar und steuerbar bleiben.

PRO BAHN fordert aus diesem Grund den Stopp von Verkäufen öffentlicher/kommunaler Unternehmen. Die Vergangenheit, aber auch aktuelle Entwicklungen haben gezeigt, dass in Puncto Zugriff/Steuerbarkeit eindeutige Vorteile in der Vorhaltung eines im Besitz der jeweiligen Gebietskörperschaften befindlichen Unternehmens liegen. Aufgabenträgerbelange können oftmals sehr viel besser, schneller und mit Einblick in die betrieblichen Abläufe umgesetzt werden, als dieses bei privaten Unternehmen der Fall wäre. Bei diesen besteht die Gefahr, dass Entscheidungen oftmals mit großer Zeitverzögerung und ohne Vor-Ort-Kenntnisse in fernab gelegenen Konzernzentralen fallen – die Kundenorientierung bleibt dabei meistens auf der Strecke.

Unternehmen sollten genügend Spielraum haben und mit finanziellen Ressourcen ausgestattet sein, um den Vorteil der Kundennähe optimal ausnutzen zu können. Dabei (z. B. bei der Gewinnung zusätzlicher Fahrgäste) sollte der Aufgabenträger entsprechende Anreize setzen.

2.3. Nahverkehr aus einem Guss

Nahverkehr darf nicht an der Stadt-, Kreis- oder Landesgrenze enden. Hier sieht PRO BAHN noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen unserer Gesellschaft enden nicht an den Kommunalgrenzen, leider jedoch viel zu oft der jeweilige Busverkehr. Nicht selten gibt es kurze Lücken im Liniennetz zwischen verschiedenen Städten oder Kreisen. Die teilweise unsinnige Umwandlung von Regional- in reine Stadtbuslinien – wie beispielsweise in den 1990er Jahren im großen Stil im Aachener Verkehrsverbund geschehen – hat diesen Negativtrend weiter verstärkt. Wo es kreis- oder städteübergreifende Verkehre gibt, sind Netz und Fahrplan selten aufeinander abgestimmt.

PRO BAHN fordert daher Aufgabenträger und Politik dazu auf, einen „Nahverkehr aus einem Guss“ zu verwirklichen und die hierzu erforderliche Organisation zu schaffen. Erforderlichenfalls müssen die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen verändert werden. Die bisher ausschließlich für den SPNV verantwortlichen Zweckverbände sollen hierbei eine Koordinations- und Steuerungsfunktion übernehmen, zumal die Busverkehre wichtige Zubringer zum SPNV sind.

2.4. Einheitliche Ansprechpartner

Für den Fahrgast ist es oftmals nicht möglich zu erkennen, an wen er sich bei Beschwerden oder Anregungen wenden muss. Die Möglichkeiten reichen vom Aufgabenträger über den Verkehrsverbund bis hin zum Verkehrsunternehmen. Dabei ist es mitunter für den Fahrgast gar nicht zu erkennen, mit welchem Unternehmen er seine Fahrt durchgeführt hat oder welcher der zuständige Verkehrsverbund ist.

PRO BAHN fordert daher die Etablierung einheitlicher Ansprechpartner, an die sich der Fahrgast mit allen Anliegen wenden kann.

2.5. Einbindung der Interessensverbände in Gremien

Interessensverbände wie PRO BAHN verfügen auf dem Gebiet des ÖPNV über eine umfangreiche Fachkenntnis. Gerade aus diesem Grund sind sie wie keine andere Einrichtung oder Institution in der Lage, die Entwicklung des ÖPNV sowohl aus fachlicher Sicht als auch aus Fahrgastsicht zu beurteilen.

Politik, Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen sollten sich diese Fachkompetenz zu Nutzen machen. PRO BAHN fordert daher, frühzeitig in etwaige Entscheidungsprozesse eingebunden zu werden.

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