Bankrotterklärung der Deutschen Bahn: ICE-Züge fahren in Bielefeld ab Mittwoch durch

von Rainer Engel | Bundesweit einmaliger Affront gegen ICE-Fahrgäste

Von Mittwoch, 1. November 2023 an hält jeder zweite ICE nach Berlin, Köln und Düsseldorf nicht mehr in Bielefeld – für mehr als einen Monat. Ursache ist ein Schaden im Untergrund unter den Gleisen bei Gütersloh. Der Fahrgastverband PRO BAHN hält den Umgang der Deutschen Bahn mit den Interessen der Fahrgäste für eine Bankrotterklärung und einen Affront gegen Ostwestfalen-Lippe.

„Um 3 Minuten Fahrzeit herauszuholen, wird das Vertrauen der Fahrgäste aus Ostwestfalen Lippe regelrecht mit Füßen getreten“, erklärt der stellvertretende PRO BAHN-Landesvorsitzende Rainer Engel aus Detmold zu diesem bundesweit einmaligen Vorgehen. „Seit 25 Jahren sind die ICE-Züge in Richtung Berlin so gut wie nie auf die Minute pünktlich und in Richtung Köln und Düsseldorf oft genug um mehrere Minuten zu spät. Angesichts dieser Lage ist es geradezu lächerlich, wenn 3 Minuten Fahrzeitverlust dadurch ausgeglichen werden sollen, dass man Fahrgästen aus Ostwestfalen Lippe gleich bis zu einer ganzen Stunde Verspätung zumutet und ihre gekauften Fahrkarten von heute auf morgen für unbrauchbar erklärt.“

Seit 1979 hält jede Stunde in Bielefeld ein schneller Zug nach Düsseldorf, Köln und Hannover, seit der Wiedervereinigung weiter nach Berlin. Damit ist es seit dem 1. November 2023 vorbei. Jeder zweite Zug fährt in Bielefeld durch, wer zur geraden Stunde in Richtung Köln und Düsseldorf oder zu ungeraden Stunde in Richtung Berlin pünktlich am Bahnsteig wartet, wird den ICE nur durchrauschen sehen. Der nächste Zug fährt meist erst eine Stunde später. Wer nach Bielefeld will und in diesen Zügen sitzt, muss schon in Hamm oder Hannover aussteigen. Mit Anschlusszügen kommen die Fahrgäste in der Regel 20 Minuten später in Bielefeld an, wer aber weiter in die Region will, muss eine Verspätung von bis zu einer Stunde hinnehmen. Dies gilt vorerst bis zum 9. Dezember 2023 – Verlängerung nicht ausgeschlossen. Auch die Intercity-Linie Köln – Dresden hält nicht mehr in Gütersloh, obwohl die Züge mit 30 km/h an der Schadstelle am Bahnsteig vorbeifahren.

Ursache des Affronts gegen Ostwestfalen-Lippe, der erst am 30. Oktober angekündigt wurde, ist ein Schaden im Untergrund der Schienen bei Gütersloh. Auf einer Länge von 800 Metern müssen alle Züge langsamer fahren. Der Schaden war nicht vorhersehbar, als Ursache wird ein Hochwasserschaden vermutet. Die Arbeiten zur Beseitigung werden nach Einschätzung der Fahrgastvertreter nicht ohne Auswirkungen auf den Fahrplan durchgeführt werden können. Der Schaden besteht bereits seit 13. September 2023 (Quelle: „Bahn-Report“).

„Das ist aber kein Grund, jetzt schon die Fahrgäste aus Ostwestfalen-Lippe am Bahnsteig stehenzulassen“, erklärt Engel. „Insbesondere die ICE in Richtung Berlin sammeln aus dem Ruhrgebiet von zwei Strecken alle Verspätungen zusammen, und beim Zusammenkuppeln in Hamm gibt es oft genug weitere Verzögerungen. Im Raum Bielefeld sind schon viele Regionalfahrpläne und direkte Züge des Regionalverkehrs geändert worden, weil es der Deutschen Bahn nie gelungen ist, die Verspätungen dieser ICE-Linie in den Griff zu bekommen. Beispielsweise wurden direkte Züge von Detmold nach Münster aus dem Fahrplan genommen, weil sie wegen des ICE nicht pünktlich verkehren konnten. Bei der Deutschen Bahn sitzen anscheinend Fahrplanmacher im Elfenbeinturm, die gar nicht wissen, wie der Bahnbetrieb an den Bahnsteigen und in den Zügen funktioniert. Die meisten Fahrgäste, vornehmlich Pendler und Geschäftsreisende haben sich mittlerweile an ein gewisses Maß der Unpünktlichkeit gewöhnt und der Bahn dennoch nicht den Rücken gekehrt. Dafür werden sie jetzt damit belohnt, dass die Züge gar nicht mehr für sie halten.“ Nach nicht offiziell bestätigten Informationen ist der Ausfall der Halte durch DB Netz AG veranlasst worden. PRO BAHN wird daher die Bundesnetzagentur um Prüfung bitten, warum diese Maßnahme einseitig zulasten von DB Fernverkehr und deren Fahrgästen angeordnet wurde, während Regionalzüge und Flixtrin nach dem bisherigen Fahrplan fahren.

Auch die Fahrgastinformation ist grottenschlecht. Die Züge, die in Bielefeld nicht halten, sind einfach von heute auf morgen aus der Abfahrtstafel verschwunden und nicht mehr zu finden. Eine Information in den Fahrplänen über den Grund fehlt vollständig. „Uns tun die Zugbegleiter und Servicekräfte leid, die den Unmut der Fahrgäste über dieses Vorgehen aushalten müssen“, erklärt Engel. „Es wundert uns nicht, wenn es keine Freude mehr macht, für die Deutsche Bahn zu arbeiten.“

Der Fahrgastverband PRO BAHN rät Fahrgästen, die bereits Fahrkarten gebucht haben, auch bei Zugbindung einen anderen Zug zu nehmen und bei einer Verspätung am Ziel von 1 Stunde und mehr die Rückerstattung von 25 % des Fahrpreises einzufordern. Entgelte für Platzreservierungen sind in jedem Fall zu erstatten.


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